Julia Jirapon Goedecke, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2023 :

"Morphologie, Magnetismus und Supraleitfähigkeit von Eisenschichten auf Niob"


"Morphology, Magnetism and Superconductivity of Iron Layers on Niobium"



Summary

Kurzfassung

In dieser Arbeit werden physikalischen Systeme daraufhin untersucht, ob sie als Grundlage für topologische Quantencomputer dienen können und insbesondere ob sie für die Realisierung topologisch nicht-trivialer elektronischer Zustände, einschließlich Majorana-Nullmoden, geeignet sind. Im ersten Teil dieser Arbeit wurde daher Niob(111) untersucht, da dessen Oberfläche eine vielversprechende grundlegende Plattform für die Realisierung von 2D-Magnet-Supraleiter-Hybridstrukturen darstellt. Nach der Aufbringung von magnetischem Material könnte die dreizählige Oberflächensymmetrie von Nb(111) zu magnetischer Frustration führen, welche die Ausbildung von chiralen Spinstrukturen wie Skyrmionen begünstigen könnte. Solche Systeme können theoretisch Majorana-Nullmoden beherbergen. Da für die Aufbringung von magnetischem Material auf Nb(111) die Oberfläche frei von Verunreinigungen sein sollte und es im Gegensatz zu Nb(110) noch kein etabliertes Verfahren zur Reinigung der Oberfläche gibt, wurde in dieser Arbeit zunächst eine Reinigungsmethode für die (111)-Oberfläche entwickelt. Anschließend konnte die atomare Struktur der sauberen Nb(111)-Oberfläche erstmals mit Hilfe der Rastertunnelmikroskopie (RTM) sichtbar gemacht und untersucht werden. Dabei zeigte sich eine Rekonstruktion, deren Auftreten theoretisch durch ein sogenanntes Vorschmelzen der Oberfläche erklärt werden kann. Parallel zur Untersuchung von Nb(111) wurde auch mit der Präparation und Untersuchung von Nb(110) begonnen. Es zeigte sich dabei, dass sich die Nb(110) Oberfläche deutlich besser eignet, um darauf dünne Schichten magnetischen Materials wie Eisen aufzubringen, was der nächste Schritt zur Konstruktion eines topologischen Supraleiters wäre. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde daher der Ansatz verfolgt, zweidimensionale Inseln, welche aus ein- bis zwei atomaren magnetischen Lagen bestehen auf der Oberfläche von Nb(110) zu präparieren (Shiba-Gitter). Nach der experimentellen Realisierung eines solchen Systems durch Eisenlagen auf Niob(110) konnte die atomare Struktur der drei gefundenen Rekonstruktionen aufgelöst werden. Außerdem wurde die elektronische und magnetische Struktur der verschiedenen Monolagen (ML) und der Doppellage (DL) mittels konventioneller und spinpolarisierter Rastertunnelmikroskopie bestimmt. Für die drei Typen von Rekonstruktionen wurden ferromagnetische Monodomänenstrukturen mit einer Magnetisierung senkrecht zur Ebene (out-of-plane) und unterschiedlichen Koerzitivfeldstärken gefunden, wobei die DL die gleiche Koerzitivfeldstärke wie die zugrunde liegende ML aufwies. Darüber hinaus wurden die sogenannten Shiba-Bänder, die für die künstliche Erzeugung von topologischen Supraleitern essientiell sind, durch spektroskopische Messungen bei niedriger Energie untersucht. Es zeigen sich Unordnungen in der ortsabhängigen und energetischen Lage der Shibabänder, welche energetisch in der Größenordnung der Substratlückenenergie liegen. Der Einfluss dieser Unordnungen auf die Ausbildung von Majorana-Moden wurde in dieser Arbeit untersucht, mit dem Ergebnis, dass höchstwahrscheinlich die Rekonstruktionen in diesem System die Ausbildung von topologischer Supraleitung und Majorana-Moden verhindern. Untersuchungen der Shiba-Bänder von DL-Eisen auf Niob(110) ergaben hingegen Anzeichen von Randzuständen in der Nähe der Fermi-Energie, wenngleich in dieser Arbeit nicht eindeutig geklärt werden konnte, ob es sich dabei um mögliche Hinweise auf topologische Supraleitung handelt oder nicht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Arbeit wesentliche Schritte für die Entwicklung eines künstlichen zwei-dimensionalen topologischen Supraleiters aufzeigt. Insbesondere wird dabei auch auf die Schwierigkeiten eingegangen, die bei diesem Entwicklungsprozess auftreten können. Die Ergebnisse zeigen aber auch eine Reihe von vielversprechenden Möglichkeiten für weitere Entwicklungen auf, die schließlich die Grundlage für zwei-dimensionale topologische Supraleitung mit Majorana-Nullmoden bilden könnten.

Titel

Kurzfassung

Summary

In this work, physical systems are investigated to evaluate whether they can serve as a basis for topological quantum computing and in particular, whether they are suitable for the realization of topologically nontrivial electronic states, including Majorana zero modes. In the first part of this work, niobium(111) was investigated, as its surface provides a promising fundamental platform for the realization of 2D magnet-superconductor hybrid structures. After the deposition of magnetic material, the threefold surface symmetry of Nb(111) could lead to magnetic frustration, which could favor the formation of chiral spin structures such as skyrmions. Such systems could theoretically host Majorana zero modes. Since the surface should be free of impurities for the deposition of magnetic material on Nb(111) and, unlike Nb(110), there is still no established method for cleaning the surface, a cleaning method for the (111) surface was first developed in this work. Subsequently, using scanning tunneling microscopy (STM), the atomic structure of the clean Nb(111) surface could be visualized and studied for the first time. This revealed a reconstruction whose occurrence can be theoretically explained by a so-called premelting of the surface. Parallel to the investigation of Nb(111), the preparation and investigation of Nb(110) was also started. It was found that the Nb(110) surface is much more suitable for depositing thin films of magnetic material such as iron on it, which would be the next step in the construction of a topological superconductor. Therefore, in the second part of this work the approach was to deposit two-dimensional islands consisting of one to two atomic magnetic layers on the surface of Nb(110) (Shiba lattice). After the experimental realization of such a system by iron layers on niobium(110), the atomic structure of the three reconstructions that were found could be resolved. Moreover, the electronic and magnetic structure of the different monolayers (ML) and the double layer (DL) was determined by conventional and spin-polarized scanning tunneling microscopy. Ferromagnetic monodomain structures with out-of-plane magnetization and different coercive field strengths were found for the three types of reconstructions, with the DL exhibiting the same coercive field strength as the underlying ML. In addition, the so-called Shiba bands, which are essential for the artificial engineering of topological superconductors, were investigated by spectroscopic measurements at low energy. Disorder in the spatial and energetic locations of the Shiba bands were found, which are energetically of the order of the substrate gap energy. The influence of this disorder on the formation of Majorana modes has been investigated in this work, with the result that most likely the reconstructions in this system prevent the formation of topological superconductivity and Majorana modes. Investigations of the Shiba bands of DL iron on niobium(110), on the other hand, revealed evidence of edge states near the Fermi energy, although this work did not fully clarify whether or not they may be regarded as an indication for topological superconductivity. In summary, this work reveals essential measures for the development of an artificial two-dimensional topological superconductor. In particular, it also addresses the difficulties that can be encountered in this development process. However, the results also reveal a number of promising possibilities for further developments that could eventually form the basis for two-dimensional topological superconductivity with Majorana zero modes.